Moviepedia Wiki
Advertisement

Ein herrschsüchtiger, brutaler und völlig zerstörter Künstler findet in Peter von Kant seinen Weg auf die Leinwand. Die Hommage an den Enfant terrible Rainer Werner Fassbinder, ist der neue Film des französischen Regisseurs François Ozon.

Peter von Kant Banner

Auf der Suche nach der nächsten Inspiration verbringt der Regisseur Peter von Kant (Denis Ménochet) seine Tage in einem Kölner Atelier zu, um dort jedweder Sucht nachzugehen. Durch seine ehemalige Muse Sidonie (Isabelle Adjani) lernt Peter den jungen Schauspieler Amir (Khalil Gharbia) kennen und verliebt sich. Sie beginnen eine Affäre, die aber nur von kurzer Dauer ist. Nachdem Amirs Bekanntheit steigt, verbringt Peter seine Zeit im Gefühlschaos und vergrault damit die Menschen, die ihm am nächsten stehen.

Das Nachkriegsdeutschland war ein Ort, der ähnlich wie heute von einer großen Spaltung der Gesellschaft betroffen war. Das Kriegstreibende Land, wurde Zusehens zum kriegsmüden erklärt und in jener Zeit ging es vor allem um die Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zum Staat, zur Familie und dem eigenständigen Denken. Immer wieder mahnen Historiker und solche, die in der Geschichte belesen sind, ja vor den Parallelen, die die Welt schon einmal beinahe in den Abgrund geführt hatten. Zur damaligen Zeit waren es vor allem Wim Wenders, Werner Herzog und der Entfant terrible Rainer Werner Fassbinder, der mit Filmen wie Angst essen Seele auf (1974) auf oder Katzelmacher (1969) immer wieder den Finger in die Wunde legte und dabei für heftigste Diskussionen sorgte. Daß François Ozon durch seine ewige Liebe zum deutschen Regisseur quasi auch dazu verpflichtet war, eines Tages einen Fassbinder-Film zu machen, liegt irgendwie auf der Hand. Doch Ozon wäre nicht Ozon, wenn er nicht auch dabei noch ein bisschen was in der Hinterhand hätte, denn so richtig viel, hat Peter von Kant nicht unbedingt mit seiner Vorlage Die bitteren Tränen der Petra von Kant (1972) zu tun. Es sind nicht nur die kleinen Dinge, wie etwa die Tatsache, daß Peter und Petra jetzt nicht vom selben Geschlecht sind, auch sonst scheint das Semi-Remake nicht zwingend viel mit der Vorlage zu tun zu haben.

Ozon inszeniert seinen Film eher als Quasi-Einblick in das Leben von Rainer Werner Fassbinder, der hier unter dem Pseudonym Peter von Kant in seiner Kölner Wohnung an einem neuen Drehbuch arbeitet. Dabei scheint Ozon dem gängigen Blick auf Fassbinder zu folgen und diesen quasi als unerträglichen Tyrannen zu zeichnen. Unweigerlich kommt dabei auch immer wieder die Kernfrage des Films auf. Und diese wäre ganz klar, die Grenze der Kunst. Im heutigen Mainstream-Kino wird ja immer wieder gemahnt und vor allem durch etwaige Quotenpolitik gewertet. Kunst kann nur dann gut sein, wenn sie eine gewisse Repräsentation vollbringt. Gerade Fassbinder ist ja in dieser Hinsicht wegweisen gewesen, weil seine Werke vor allem von starken Frauenfiguren, sozialer Diskriminierung und klassischem Alltagsrassismus erzählten. Doch wer nun glaubt, man sähe in Peter von Kant einen Heiligen, der nur durch seine Sexualität definiert würde, der banalisiert das Werk und ist augenscheinlich auch nicht in der Lage dieses zu verstehen. Der Sinn hinter Peter von Kant ist erstaunlicherweise primär Unterhaltung. Und das verwundert bei einer Fassbinder-Hommage schon, weil der Künstler sich nicht gerade dadurch auszeichnete, besonders verdauliche Filme zu produzieren. Immer wieder spürte man dieses Verlangen zu provozieren, aber auch zu diskutieren. Das provokante hingegen ist etwas, was dem titelgebenden Peter von Kant ins Gesicht geschrieben steht. Er ist nicht sonderlich sympathisch, das weiß man sofort, ohne seine Werke zu kennen. Immer wieder erniedrigt er seine vermeintlich Untergebenen und bringt sie zur Weißglut. Die Darstellung dieser kommunenhaften Vereinigung, der Menschen um von Kant hat dabei immer etwas Originelles. Zum einen, weil es da immer Gewalt gibt und es viel um die Psychologie hinter den Figuren geht.

Tatsächlich gelingt es Ozon, vielleicht auch durch technisierte Finesse ganz gut den schmalen Grat zwischen Unterhaltung und Lehre zu schlagen. Das Spiel mit den Farben, aber auch die ausgeklügelten Dialoge, sind so spitzzüngig, daß man nie gelangweilt ist. Immer wieder klebt man an den Lippen von Denis Ménochet der hier eine schauspielerische Glanzleistung abgibt. Der schmale Grat aus Gewalt und Hingabe, aus Liebe und Tyrannei gelingt Ménochet tadellos. Dabei hat sein Charakter immer etwas Unberechenbares, wie es wohl Fassbinder auch gehabt hat. Und darin liegt auch eine große Spannung, die Ozon durch seine bewusst minimalistische und theatralische Inszenierung aus Ménochet herauskitzeln kann. Immer wieder spielt Ozon dabei gekonnt mit Farben und ganz einfachen und überschaubaren Sets. Dabei kann er sehr gut den Fokus auf seinen Hauptfiguren behalten. Doch auch der restliche Cast weiß zu beeindrucken und man bekommt das Gefühl, daß dort sehr exzentrische Menschen ihren Lebtag vollbringen. Das einzige Manko scheint hierbei Hanna Schygulla zu sein, die im gesamten Film doch etwas sehr zurückhaltend und angestrengt agierte.

Dabei ist es interessant, daß Ozon sich ganz bewusst zurückhält und die Krisen, die viele der Menschen in Fassbinders Umgebung durchlebten, nicht zum Zentrum seiner Geschichte macht. Gerade die Beziehung zwischen Peter und Amir, beziehungsweise Fassbinder und El Hedi ben Salem wird hier natürlich thematisiert, aber deren Ende und das daraus resultierende Schicksal bleibt außen vor. Und das ist auch nur gut so, weil der Film dabei zu ausschweifend geworden wäre. Ozon bleibt klar in seinen Bildern und klar in seiner Provokation, legt sich aber, gerade was die Kernfrage angeht, weniger fest, beziehungsweise lässt sich weniger festlegen. Daher ist Peter von Kant ein sehr intelligentes Werk, weil es sich auch traut reine Interpretation zu bleiben. Es geht zwar viel um die Psychologie der Figuren, insbesondere der Hauptfigur, aber nie darum, dem Zuschauer eine Meinung aufzudrücken. In diesem Fall ist selber denken angesagt und genau deshalb ist dieser Film auch so wichtig.

Fazit: Selten lässt Ozon etwas anbrennen, wenn es um Filme geht. Manche gelingen mehr, andere weniger. Als großer Fassbinder-Fan ist Peter von Kant natürlich ein Pflichtfilm in seiner Vita, der aber bedauerlicherweise nicht zwingend einen Blick in die Gegenwart richtet. Wenngleich man sehen kann, wie aktuell das Schaffen von Fassbinder war und die gesellschaftlichen Fragen immer noch nicht zur Gänze geklärt sind, so ist der Film ebenso stilistisch und inszenatorisch aus sicheren Händen.


Clap-cinemaClap-cinemaClap-cinemaClap-cinemaClap-cinemaClap-cinemaClap-cinemaClap-cinema hellClap-cinema hellClap-cinema hell


Captain Schlabberhose (Diskussion) 19:06, 04. Okt 2022 (UTC)

Advertisement